Die Konzentrationslager-Haft von sogenannten Asozialen und Berufsverbrechern bildet eines der letzten Desiderate der KZ-Forschung, ist doch gerade uber die erste Phase ihrer Verfolgung kaum etwas bekannt. Die Studie von Julia Horath schliesst diese Lucke und eroffnet zugleich neue Perspektiven auf die Geschichte der KZ. Indem sie einen weiten Begriff von Konzentrationslager zu Grunde legt, kann sie bislang kaum berucksichtigte Haftstatten in den Blick nehmen. Die Untersuchung zeigt die Schwachen des Stufenmodells, das die Forschungsdebatten bislang dominierte und von scharfen Zasuren in der Entwicklung der KZ ausgeht. Demgegenuber starkt Horath die Argumente der Kontinuitatsthese, nach der alle wesentlichen Funktionen bereits in den fruhen KZ angelegt waren. Wie ihre Studie zeigt, setzte schon kurz nach der Machtubergabe eine systematische Verfolgung von Asozialen und Berufsverbrechern ein. Die KZ-Einweisungen wurden nur punktuell und allenfalls rahmensetzend von den Zentralinstanzen gesteuert, gingen vielmehr in erster Linie auf die Initiative lokaler Akteure zuruck. Bevor sich die in der Fruhphase gesammelten Erfahrungen im Konzept der rassischen Generalpravention verdichteten, pragten verschieden motivierte und konzipierte Spezialpraventionen das Vorgehen, die Horath in die langen sozialpolitischen Entwicklungslinien des spaten 19. und fruhen 20. Jahrhunderts einordnet.
Dr. Julia Hörath ist Politologin und Historikerin. Sie arbeitete freiberuflich für verschiedene KZ-Gedenkstätten, an der Arbeitsstelle für Nationale und Internationale Gewerkschaftspolitik der FU Berlin und war Lehrbeauftragte am Institut für Geschichtswissenschaften der HU Berlin. Seit 2017 ist sie wissenschaftliche Mitarbeiterin am Hamburger Institut für Sozialforschung.
Dr. Alexander Nützenadel ist Professor für Sozial- und Wirtschaftsgeschichte an der Humboldt-Universität Berlin.