Beschreibung
4° (30 x 23.5 cm). 4 SS. Schriftsatz in 8-Punkt Fraktur. (O-)Brosch. d.Zt. (wasserblau, handgemachtes Glanzpapier). Wenig Alters-, kaum Gebrauchsspuren, Spur einer ursprüngl. horizontalen Faltung. Gesamthaft gutes Exemplar - - Nur in BVB/BSB (2 Standorte: Dombibliothek Freising u. Stadtachiv München); im KVK sonst praktisch nicht nachzuweisen - Im Wortlaut abgedruckt in: E. Friedberg, Sammlung der Aktenstücke zum ersten vaticanischen Concil, 1872, pp. 193-197 (Ref. Friedberg 13) - Aufschlussreiches Zeitdokument zur frühen Kontroverse um das Infallibilitätsdogma, publiziert noch vor dessen offizieller Verabschiedung am Ersten Vatikanischen Konzil (Vaticanum I) am 18. Juli 1870 - "Am 12. April d. Js. ist ein 'Aufruf an die Katholiken Münchens' erlassen worden, welcher wörtlich also lautet: 'Angesehene Männer aus allen Ständen der Gesellschaft haben sich am verflossenen Montag den 10. April in München zu einer Versammlung geeinigt, in welcher sie eine Adresse an die Königliche Staatsregierung zur Abwehr der aus dem Unfehlbarkeitsdogma erfließenden staatsgefährlichen Folgen beriethen und einmüthig annahmen.' [.] Die Adresse selbst, in welcher sowohl für den unglücklichen Pfarrer [Josef] Renftle zu Mehring in der Augsburger Diöcese, als auch für die jüngste Erklärung des Stiftspropstes Dr. [Joseph Ignaz] von Döllinger Partei ergriffen wird, behauptet, das Dogma von der unfehlbaren Lehrgewalt des Papstes sei staatsgefährlich und setze unlösbare Widersprüche zwischen den Pflichten des Katholiken und den Pflichten des Staatsbürgers" (etc.; p. 2). Erzbischof Gregors defensive Apologetik operiert dabei nicht nur mit Verharmlosen, sondern auch mit der mehr oder weniger unterschwelligen Drohung der Exkommunikation: "Katholiken Münchens [.] ihr werdet, ihr dürfet solch einem Beginnen euch nicht anschließen, wenn ihr nicht selbst euch aus der heiligen katholischen Kirche ausschließen wollet. [.] Wohl wissen wir, daß viele jener Männer, welche die obgenannte Adresse bereits unterzeichnet haben, die schreckliche Tragweite dieses ihres Schrittes nicht erkennen" (etc.; p. 3). Und: "Gegenwärtiges Hirtenschreiben ist am nächsten Sonntage beim öffentlichen Gottesdienste von allen Kanzeln der Erzdiöcese zu verkünden." (ibid.) - Vorausgegangen war dem aktuellen Hirtenbrief auch eine brisante Disziplinarmassnahme: "Am 18. April 1871 erklärte der Erzbischof Scherr, selbst ein Gegner der Unfehlbarkeit auf dem Concil, den Bruch vollzogen und ließ die Excommunication Döllinger's von den Kanzeln verkündigen. Eine ungeheure Aufregung war die Folge der erzbischöflichen That" (ADB, Döllinger). -- Gregor Ritter von Scherr (Neunburg vorm Wald, Oberpfalz 1804-1877 München), Theologe, Priester 1829, Benediktiner (Profess 1833), seit 1856 Erzbischof von München und Freising. "In den Konflikten zwischen Staat und Kirche (etwa über den kirchlichen Einfluß auf die Schule) zeigte sich Scherr stets kompromißbereit. Daß er sich, obwohl beim 1. Vatikanischen Konzil aus grundsätzlichen Überlegungen Gegner des Unfehlbarkeitsdogmas, den Dogmen des Konzils sofort unterwarf und gegen die Professoren Döllinger und Johann Friedrich (1836-1917) mit kirchl. Strafen (Exkommunikation) vorging, ohne ihnen die Möglichkeit zur Rechtfertigung zu geben, entsprach seiner konfliktscheuen, ängstlichen Grundhaltung." (NDB; vgl. Biographia Benedictina). - Sprache: de. Bestandsnummer des Verkäufers H081921
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