Beschreibung
8° (ca. 20.5 x 19 cm). pp. 3-110, 1 Bl. Illustrationen ev. nach (Rohr-) Federzeichnungen. Vortitelbl. fehlt (Text sonst vollständig). Schriftsatz in 10-Punkt Grotesk nach zeitgenöss. moderner Typographie. OFranz.Brosch. (etwas bestossen) mit farbiger Deckelillustration. Erste Lage etwas griffknittrig. Leichtere Alters- u. etwas Gebrauchsspuren. Gesamthaft weitestgehend sauberes, sehr ordentliches Exemplar. - - Datierung nach BVB u. SBB (diese mit Vermerk 'Kriegsverlust') - Erstmals 1930 (Impressum mit Copyright 1930); gem. HeBIS u. HeBIS-Retro erschien das 5.-7. Tsd. noch 1930, das 8.-10. Tsd. dann 1931 - Inhalt: 48 vom Ansatz her in gewisser Weise expressionistische zeit-, sozial- und kulturkritische Gedichte, die in ihrer Bildhaftigkeit an die zeichnerischen Arbeiten von George Grosz erinnern. (vgl. BVB) - "Es sollte einmal jemand auf den Spuren des großen Literaturhistorikers Josef Nadler wandelnd das Sächsische in der deutschen Literatur untersuchen [.]. [.] Kästner ist aus Dresden. [.] Ich vermeine, manchmal in Kästner das Sächsische zu spüren: eine gewisse Enge der Opposition, eine kaum fühlbare, aber doch vernehmliche Kleinlichkeit, eine Art Geiz . Er weicht dem Olymp sehr geschickt aus - ich weiß nicht, wie sein Himmel aussieht. Vielleicht hat er keinen, weil er fürchtet, er sei dann vom sächsischen Böcklin: von Klinger? Kästner ist ehrlich, sauber, nur scheint mir manchmal die Skala nicht sehr weit, und er macht es sich gewiß nicht leicht. Er hats aber leicht. Man vergleiche hierzu etwa so ein Gedicht wie 'Dem Revolutionär Jesus zum Geburtstag' . das ist reinlich und gut gemeint, doch da langt es nicht. Da pfeift einer, im Sturm, bei Windstärke 11 ein Liedchen. Demgegenüber stehen nicht nur prachtvolle politische Satiren wie 'Die andere Möglichkeit', ein Gedicht, das ihm die deutschen Nationalisten heute noch nicht verziehen haben, weil es die Zeile enthält: 'Wenn wir den Krieg gewonnen hätten' mit dem Schluß 'Zum Glück gewannen wir ihn nicht'. Oder 'Primaner in Uniform', ein famoser Hieb gegen die chauvinistischen Pauker. Der Band führt darüber hinaus, ins Dichterische, in echte Lyrik. Da ist in 'Verzweiflung Nr. 1' ein kleiner Junge, der sein Einholegeld verliert. Er weint zu Hause, die Eltern trösten ihn, und da steht: 'Sein Schmerz war größer als ihre Liebe' - also, das lasse ich mir gefallen. Oder das bezaubernde 'Gefährliche Lokal' mit dem morgensternschen Schluß 'Als ich zurückkam, sah ich, dass ich schlief'. [.] Was immer zu bejahen ist, ist seine völlige Ehrlichkeit. Wo er nicht weiß, da sagt er: Ich weiß nicht. Das Gedicht 'Kurt Schmidt, statt einer Ballade' haben ihm Proletarier übelgenommen, weil es mit einem Selbstmord endet [.]. [.] Formal wird es immer besser; manchmal dürfte die Form etwas abwechslungsreicher sein. Kästner wird viel nachgeahmt; es gehört wenig dazu, ihn nachzuahmen. Ich wünsche ihm ein leichtes Leben und eine schwere Kunst." (Kurt Tucholsky, Kritiken und Rezensionen. Gesammelte Schriften, 1907-1935, online in: textlog de/tucholsky-erich-kaestner). - Sprache: de. Bestandsnummer des Verkäufers Lt030426
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