Beschreibung
Lederband der Zeit mit reicher Rückenvergoldung und goldgeprägtem Rückenschild ('Logica'), dreiseitigem Rotschnitt, Stehkantenvergoldung, marmorierten Vorsätzen und blauem Lesebändchen (Kapitale mit kleineren Fehlstellen, Ecken berieben), gr. 8vo. Umfangreiche Mitschrift des ersten, die Logik umfassenden, Teils des zweijährigen Philosophiekurses am Kolleg Mazarin in Paris. Enthält nach der Einführung in den Gesamtkurs (S. 3 - 51), in der dargelegt wird, was Philosophie ist, wozu sie dient und was sie im einzelnen untersucht, den Hauptteil, die Logik, verstanden nicht als bloße Analyse der formalen Logik, sondern im klassischen aristotelischen Sinne als der methodische Schlüssel zur Erkenntnis der Wahrheit und damit letzlich Gottes. Philosophie verstand sich als die Magd der Theologie und das Institut Mazarin war der theologischen Fakultät der Sorbonne unterstellt. Methodisch gesehen ist der Kurs in gut scholastischer Tradition in Kapitel und Unterkapitel, in Einwände, deren Begründung und Rückweisung, in Beispiele und Zusammenfassungen gegliedert. Die zwei Hauptteile bestehen derart aus der 'ars cogitandi' (S. 52 - 600) und einem Appendix (S. 601 - 694), in dem es um 'de ipsa logica' geht, das heißt um eine Erörterung ihres Stellenwertes für die Erkenntnis. Im ersten Hauptteil werden die einzelnen Elemente des Denkens und der Ratio in vier zentralen Kapiteln vorgestellt und hinterfragt : 1- de perceptione (57 - 175), 2- de judiciis et propositione (175 - 397), 3- de vaticinatione et argumentatione (397 - 554), und 4- de methodo inveniendae et manifestandae veritatis (554 - 600). Ziel und Nutzen der ebenso kunstvollen wie ausführlichen Erörterungen lassen sich in drei Aussagen zusammenfassen, die gleich zu Anfang gemacht werden: "Homini necessarium est recte cogitare" (52) - der Mensch muß richtig denken (lernen); "ea est logica quae docet modum recte utendi ratione" (53) - es ist die Logik, die uns lehrt, die Vernunft richtig zu gebrauchen; und "commotione facta in cerebro sic mens cognoscit deum, se ipsam" (59) - indem man sein (so durch die Logik geleitetes) Gehirn anstrengt, erkennt man Gott und sich selbst. Der Anhang behandelt dann die Frage, ob die Logik eine Wissenschaft ist - eine rhetorische Frage natürlich, denn: "logica est scientia" (602) und nicht etwa nur ein reines methodisches Hilfsmittel oder Instrument. So wenig überraschend die Mitschrift inhaltlich und formal auf den ersten Blick ist, so stellt sich doch die Frage, ob Geoffroy seinen Schülern in seiner Vorlesung bestimmte intellektuelle Vorlieben oder Abneigungen vermittelte. Denn dass die Professoren in den Kollegien gewisse Freiheiten in der Darstellung des Stoffes hatten und bisweilen geradezu ein persönlicher Eklektizismus in der Lehre herrschte ist in der Forschung heute unbestritten (vergl. Brockliss, French Higher Education in the 16th and 17th Century, 1987). In einer 2005 publizierten Untersuchung von Alain Firode, in der der gesamte Philosophiekurs von Adrien Geoffroy auf seine ideologischen Wurzeln, auf die darin zum Ausdruck kommenden Überzeugungen, Einflüsse und Lehren, sowie auf seine theologischen, philosophischen und wissenschaftlichen Grundlagen untersucht wird, kommt der Autor zu folgendem Ergebnis: "Comme la majeure partie des manuels, le cours de Geoffroy ne constitute donc pas une oeuvre philosophique ou scientifique originale. Il s'agit . d'une construction composite où se croisent de facon plus ou moins cohérente théologie scolastique, philosophie et physique cartésiennes, philosophie malbranchienne et physique expérimentale" (S. 15). Firodes Interesse an Geoffroys Kurs ergab sich aus der Frage, welchen Unterricht D'Alembert während seiner Ausbildung auf dem Kolleg Mazarin (1733 - 1735) genossen hatte: "d'analyser le contenu de la formation recue par D'Alembert au collège Mazarin . et conduit . à s'interroger sur son apport éventuel dans l'itinéraire intellectuel du philosophe." (S. 1). D'Alemberts Lehrer war in diesen Jahren eben jen. Bestandsnummer des Verkäufers 551
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