Beschreibung
Kl.-8° (16.3 x 11.5 x 4.3). VI, 7-728 SS. Front. u. 1 Portr.-Tafel in Holzstich. HLn. d.Zt. mit marmorierten Deckeln. Erste Ausgabe / Originalausgabe. Seiten lagenweise unterschiedlich gebräunt u. stockfleckig. Alters- u. Lagerungs-, kaum eigentliche Gebrauchsspuren, neueres Exlibris a. Vorsatz. Gesamthaft recht ordentliches Exemplar. - - TAFELN : Frontispiz: 'Mein Vaterhaus'; das Porträt ist wohl eine Bearbeitung nach der Zeichnung von Carl Friedrich Irminger um 1848 (vgl. Abb. im HBLS) - Jakob Stutz (Isikon b. Hittnau, Kt. Zürich 1801-1877 Bettswil b. Bäretswil ZH), von Hittnau, ref., Lehrer und Volksdichter. "Nach der Volksschule Unterricht bei Pfarrer Salomon Tobler, Besuch von Lehrerkursen, Kontakt mit pietistischen Kreisen, 1827 Lehrer an der Blinden- u. Taubstummenanstalt Zürich unter Ignaz Thomas Scherr. Ab 1836 leitete Stutz eine Privatschule in Schwellbrunn, inszenierte dort eigene Dramen [.], wurde aber 1841 wegen pädophiler Neigungen entlassen. 1842 bezog Stutz eine Klause in Sternenberg ['Jakobszelle'], wo er junge Leute, u.a. Jakob Senn und Jakob Messikommer, um sich sammelte sowie eine Bibliothek und eine Sparkasse gründete. Der Homosexualität angeklagt, wurde er 1856 des Kt. Zürich verwiesen. Stutz schlug sich als Hauslehrer und Dorftheaterregisseur durch, bis ihn 1867 seine Nichte Margaretha Walder in Bettswil aufnahm. Nach ersten moritatenhaften Gedichten ab 1818 erschienen ab 1829 mundartliche Gespräche im 'Zürcher Kalender' und 1831 die erste der sechs erfolgreichen Sammlungen 'Gemälde aus dem Volksleben [.] in gereimten Gesprächen Zürchererischer Mundart. Darin hebt Stutz in didaktischer Absicht die dunkleren Seiten des Landlebens hervor und wendet sich gegen dessen Verklärung durch die damalige Mundartdichtung. Der Quellenwert seiner 'Gemälde', in denen er auch den Brand von Uster darstellte (Bd. 3, 1836), sowie seiner Autobiografie (1853) beruht auch darauf, dass er infolge rudimentärer Bildung und prekärer Lebenssituation die Verbindung zum volksmässigen Denken nie verloren hat." (HLS; vgl. HBLS) - "Beim Pflug dichtete er 1817 sein erstes [.] Lied über die damalige Hungersnot und die nothwendige Bekehrung der Christen. Da dasselbe in seiner nächsten Umgebung grossen Eindruck machte, [.] so vermehrte dies seine Lust zum Dichten und in kurzer Zeit hatte er eine ganze Sammlung Lieder beisammen, deren Grundgedanke seiner eigenen Stimmung entsprechend [.] die Trübseligkeit des zeitlichen Lebens, Sünde, Tod, Ewigkeit u. dgl. ausmachte. [.] Im Spätherbst 1841 zog Stutz zu seiner verwittweten Schwester nach Matt, G[emeinde] Sternenberg, legte hier die Einsiedelei 'Jakobs-Zell' an, wo er seine Tage in Abgeschiedenheit verbringen wollte [.], sich mit aufgestellten Totenköpfen umgab und einen Kreis von jüngern Freunden um sich sammelte, die sich gegenseitige Bildung und Beförderung des Volkswohls zur Aufgabe machten. [.] Seine grossen Verirrungen hat dieser merkwürdige Mann gesühnt; weitere Andeutungen gehören nicht in den Bereich dieser Skizze." (R. Weber, Poet. Nationalliteratur, 2, 1866, p. 292 f., mit Hinweis, dass Stutz um 1821 Herrnhuter wurde, "um nicht in den Militärdienst treten zu müssen"; vgl. Brümmer 2, 3. Aufl. 1888). - "Als Dichter und Volksaufklärer war Jakob Stutz weit herum bekannt und hoch verehrt und blieb es auch bis zu seinem Tod und darüber hinaus. Als Homosexueller ging er mehrfach seiner Stelle verlustig, wurde verurteilt, gefangen gesetzt, gebüsst, geächtet und vertrieben. [.] Die 15 Jahre in der 'Jakobszelle' waren wohl nebst der frühen Kinderzeit die einigermassen glücklichsten seines Lebens. Sie endeten 1856 abrupt mit Verhaftung, Gefängnis, Prozess, Verurteilung, Busse und drei Jahren Kantonsverweisung. Nach zehn ruhelosen Wanderjahren, immer wieder vertrieben, fand er als verhärmter und gebrochener Mann 1867 bei seiner Nichte in Bettswil bei Bäretswil (ZH) eine letzte Heimstätte. Dort starb er am 14. Mai 1877." (E. Ostertag, Vorkämpfer und Opfer : Jakob Stutz. In: Es geht um Liebe, Ja. Bestandsnummer des Verkäufers Lt060924
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