Beschreibung
Folio. 6 pp. Doppelblatt. Blaues Papier. Vermutlich an seinen Freund Franz Alexander Kaufmann (1817-1893), der mit der Schriftstellerin Mathilde, geb. Binder (1835-1907), Ps. Amara George" verheiratet war. Empfangen Sie, mein theurer Herr und Freund, wiederholt meinen wärmsten Dank für Ihre edle, thätige Teilnahme an mir! Daß ich durch Sie, woran ich nicht entfernt dachte, als ich Ihnen meine neueste Dichtung andeutete, mit so hochgestellten, ehrwürdigen Personen in unmittelbare Beziehung gebracht worden bin u. daß Sie mich sogar für werth halten, mich mit solchen unmittelbar zu berühren, hat mich außerordentlich überrascht u. gerührt. Bescheidenheit u. Furcht vor Mißdeutung hält mich indessen für jetzt noch ab, eine so erfreulich Gelegenheit zu ergreifen u. mir sofort eine persönliche Annäherung zu erlauben. Ich möchte vor Allem etwas Sachliches u. Objectives zu Stande bringen, wenigstens ein kleines Manuskript, aus welchem einigermaßen zu ersehen, was ich meine u[nd] will, u. in welcher Art ich öffentlich aufzutreten gedenke. Ich arbeite an meiner Schrift des Zitats: Die dreifache Krone Roms , wo ich das Papsthum in seiner ganzen concreten Bestimmtheit u. Bedeutung zu beleuchten unternommen , wie es meines Wissens noch niemals geschehen ist. Ich werde Ihnen derselbe, wenn sie fertig, mittheilen, u. Sie bitten, sie theils selbst zu begutachten, theils von Anderen, deren Stimme wichtig u. entscheidend, beurtheilen zu lassen. Sollte dieser Erstlingsversuch einige Zufriedenheit u. Billigung zur Folge haben, so würde ich schon mehr Muth fassen, u. weniger auf das Persönliche u. Unmittelbare schauen. Ich weiß, welchen Verstimmungen man bei einer Wendung, wie ich sie nehme, ausgesetzt ist, und sollte ich auch nicht dem Verdachte gemeiner Selbstsucht u. Berechnung unterliegen - daß ich ein unpraktischer Mensch sei, hat man mir immer vorgeworfen u. das mag mir jetzt zu Gute kommen- so werden jene hochgestellten Männer doch wohl zu wissen verlangen, auf welchen Denkprozessen meine jetzige Stimmung u. Richtung beruhe, so wie auch, was ich für öffentliche Manifestationen im Sinn habe. Das möchte ich dann vor Allem durch ein literarisches Spacieren zu erkennen geben. Das Übrige, was nicht für die Öffentlichkeit gehört, mag dann mit brieflichen oder mündlichen Wege zum Ausspruch gelangen. Daß ich mich jedem competenten Urtheil unterwerfen u. Nichts thun werde, was nicht kirchlich gebilligt werden kann, habe ich Ihnen schon bemerkt: Schlachten sind genug geliefert , sagte einmal Wallenstein, da er sich schlagen sollte; eigensinnig u. halsstarrig bin ich lange genug gewesen , könnte ich sagen. Dergleichen bedenkliche Lorbaeren habe ich nur allzu viel gesammelt; jetzt gelüstet es mich einmal nach einem anderen Kranze, nach dem der Vernunft u. des Gehorsams.Ihre Frau Gemahlin sieht allzu rosenfarb u. eröffnet mir in ihrem Eifer u. Wohlwollen für mich u. die Sache, der sie sich bereits ebenfalls geweiht, zu reizende Aussichten. Ich bin durchaus nicht mehr fähig, irgend eine persönliche Rolle zu spielen oder ein Amt zu versehen, wobei man über seine Körper- u. Geisteskräfte jeden Augenblick Herr sein muß. Ich bin umfänglich krank, schwach, leidend, hinfällig - ich bin ein sterbender Mensch. Nur mein ewig arbeitender Kopf will sich noch nicht zur Ruhe geben; u. so bedarf ich einer Thätigkeit, einer Wirksamkeit, die diesem Triebe angemessen ist u. mir nicht ganz eitel u. unnütz erscheint. Ich will u[nd] muß Etwas thun, muß es um so mehr, da Alles, was unter Leben u. Genuß verstanden wird, für mich abgethan ist. Ich kann aber nur noch als Schriftsteller Etwas leisten, u. selbst das wird mir bei halbblinden, schmerzendem Auge u. bei so oft durch grausame […]leiden gestörter Denk- u. Arbeitskraft, schwer genug; ich bringe meine Manuskripte nur in einzelnen besseren Momenten, u. mit Hülfe freundschaftlicher Dienstleistungen zu Stande. Was könnte ich in solchem Zustand für Ansprüche machen, für Hoffnungen hegen? Ich bin fast schon ein abgeschied. Bestandsnummer des Verkäufers 92952
Verkäufer kontaktieren
Diesen Artikel melden