Beschreibung
Sie bieten auf zwei eigenhändige, signierte Briefe des Professor der Philosophie an der Universität Berlin Karl Heinrich Althaus (1806-1886). --- Betrifft jeweils Gerüchte über den Suizid seines Kollegen, des Historikers und Philologen Philipp Jaffé (1819-1870), der sich am 3. April 1870 in Wittenberge erschossen hatte. --- Karl Heinrich Althaus wurde vorgeworfen, er hätte das Gerücht verbreitet, Jaffé habe sich wegen eines (drohenden) juristischen Prozesses umgebracht. In den Briefen versucht Althaus den Vorwurf zu entkräften. Da Althaus in dem Zusammenhang einen Vorgang schildert, der "auf Ausschweifung und Unzucht hindeutete", ist anzunehmen, das Gerücht eines Kriminalprozesses beziehe sich auf einen Verstoß gegen den § 143 des Strafgesetzbuches für die Preußischen Staaten, der 1872 fast unverändert in den § 175 überging. Dieses Gerücht könnte u.a. dadurch entstanden sein, dass Jaffé Junggeselle blieb. --- Erwähnt ist ein Brief von Theodor Mommsen an Althaus über diesen Fall. Diesen biete ich parallel an. -- 1.) 2 ½-seitiger Brief (22,2 x 14,2 cm) an einen ungenannten Geheimrat (der ihn mit dem o.g. Vorwurf konfrontiert hatte), datiert Berlin, den 1. Juli 1870 nachts. --- Auszüge (der Käufer erhält die komplette Abschrift): --- "Der Thatbestand, auf welchen Sie, verehrter Herr Geheimrath, Sich beziehn, ist folgender. Schon am Morgen nach der That des Prof. Jaffé erfuhr ich sie auf der Quästur; sie erfaßte mich mit aller Gewalt [.]. Bei dieser tiefen Erregung mußte ich mich eines Umstandes erinnern, der wohl nur mir bekannt war: Vor mehreren Wochen waren auf einem Auditoriumzettel des Pr. Jaffé, auf welchem er sein Unwohlsein angezeigt hatte, mit Bleistift ein Paar Worte geschrieben worden, die (an diesem Ort und gegen diese Person!) auf Ausschweifung und Unzucht hindeuteten. Am Portal traf ich 2 Männer, die mir seit länger als einem Menschenalter bekannt sind [.]: Es waren der Portier Wagner und der Pedell Bindoff. Nach sofortigen, erregten Fragen, nach lebhaftem Austausch von Vermuthen und Staunen über eine That, die keinesfalls doch eine sittliche heißen darf, sagte ich: man möchte fast glauben, oder man möchte fast vermuthen, oder man könnte etc., oder der Gedanke könne Einem unwillkürlich (ich weiß nur den Sinn der Worte), daß Prof. Jaffé sich einer Criminalsache habe entziehn wollen und ich fügte das Obige hinzu. [.] Zu meinem höchsten Erstaunen erfuhr ich aus einem heftigen, aber auch sofort von mir milde beurtheilten Schreiben des Prof. Mommsen, daß Hr. Schade (eine dunkle Vorstellung begleitet mich, daß er etwas schwer hört) aufs Eiligste zu demselben gekommen sei, um ihm zu melden, nach mir habe Prof. Jaffé einer Criminaluntersuchung ausweichen wollen. In einem augenblicklichen Gespräch mit Prof. Mommsen stellte ich ihm die schlechtsinnige Unmöglichkeit, den Unsinn, aber auch die tiefe Unsittlichkeit solcher angeblichen Äußerung vor und demgemäß verhielt sich auch Prof. Mommsen mir gegenüber, indem das Gegentheil nunmehr auch kaum denkbar gewesen wäre. [.] In der That, schon in frühester Jugend fast nur in den vornehmsten Kreisen verkehrend, habe ich überall und beständig Achtung erfahren, ja mehr. Mein tiefes Unglück ist, daß ich die Hauptwege meines Lebens einsam zurücklegen und ganz mir selbst habe bahnen müssen; alle meine Freunde sind todt und die wenigen, die noch leben, sind weit entfernt. [.]. Althaus." --- Anm.: der Pedell Bindoff und der Portier Wagner waren Angestellte der Universität. --- Daneben ein knapp 2-seitiger Brief (24,8 x 21,3 cm) "an die verehrliche philosophische Fakultät", datiert Berlin, den 20. Juli 1870. Lt. Randbemerkung wurde der Brief am 21. Juli übergeben. --- Der Brief hat den gleichen Fall zum Thema, weite Passagen sind wortgleich. Die Formulierung "Ausschweifung und Unzucht" wird jedoch zu "Ausschweifung und Liederlichkeit" abgeschwächt. Einleitung und Ende sind abweichend. --- Zustand: Briefe gefaltet; Papier leicht gebräunt. Bestandsnummer des Verkäufers Althaus 2023-3 Ordner 1 -4
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